Der gelassene Kellner und die 120 Wütenden

Der gelassene Kellner und die 120 Wütenden

Stelle dir Folgendes vor: Es ist Sommer. Endlich! T-Shirt, Freibad, Chillen am See. Und volle Biergarten. Ja, da hört der Spaß für den Kellner meist auf. Und wenn das passiert, dann auch für den Gast.

 

Das kennt wahrscheinlich jeder. Du hast einen Tisch im Biergarten reserviert und freust dich als Gast auf ein schönes, kühles Bier. Du freust dich auch nach 10 Minuten noch. Nach 15 schon nicht mehr so. Nach 20 Minuten möchtest Du den Kellner würgen, wenn nicht gleich das Bier auf dem Tisch steht. Tut es nicht und auch am Nachbartisch werden bereits Mordpläne geschmiedet, es wird gewunken, alle Arme sind erhoben und all die Gäste verbindet, dass sieht man jetzt ganz gut, eines: Schweißflecken im Achselbereich.

 

Hier muss man als Kellner so einiges einstecken, und zwar kein Trinkgeld. Ausführlich beschrieben wird das übrigens auch im Buch “Kellner kommt! Eventuell…“. Was aber tun, wenn man als Kellner überfordert ist, obwohl man alleine nur 120 Gäste zu bedienen hat? Wichtig ist da meiner Meinung nach, dass man sich bewusst macht, dass man keine Schuld für die Misere trägt. Sich nicht selbst unter noch mehr Druck zu setzten, als man eh schon hat. Kurz gesagt, würde ich folgenden Rat geben: Emotionen ausschalten!

 

Mit der Zeit lernt man das. Gelassen zu bleiben, trotz Stress. Wenn der Stress einen überfordert, passieren nur weitere Fehler und so gelangt man als Tellerträger in einen Abwärtsstrudel, der erst endet, wenn das Tor zum Biergarten von innen geschlossen wird und alle Gäste unzufrieden den Heimweg angetreten haben. Sie werden sich an den Tag erinnern und vorsichtshalber noch mal eine 1-Sterne-Rezension heraushauen, damit auch jeder mitleidet. Pech, wenn man als Kellner ein Namensschild am verschwitzten Arbeits-Shirt trug, denn dadurch ist man nun auch für alle anderen Menschen dieses Planeten ein Teil der Erinnerung. Super, Glückwunsch, du bist online!

 

Wie aber soll man Ruhe bewahren, wenn tatsächlich JEDER Gast unzufrieden ist und Druck aufbaut?

 

Regel 1:

Ruhe bewahren! Du tust dein Bestes! Lasse das Deinen Gast spüren. Solidarisiere dich mit ihm. Auch Du findest es beschissen, dass der Gast so lange warten muss.

 

Regel 2:

Weitermachen, Schritt für Schritt. Auch dieser Tag wird enden und irgendwann wird jeder Tisch abgearbeitet sein. Aber nur, wenn Du weiter machst! Selbstzweifel und Wut sind hier falsche Ansprechpartner und bringen dich keinen Schritt weiter.

 

Regel 3:

Nicht mit wütenden Gästen duellieren! Vermeide überflüssige Diskussionen. Der Gast ist nicht dein Feind, auch wenn es sich in dem Moment so für dich anfühlt. Mache dich nicht angreifbar, indem du dich in Diskussionen verlierst und womöglich sogar den Gast beleidigst. Der hat nämlich viele Verbündete und die sitzen gleich zwei Meter weiter am Nachbartisch. 

 

Regel 4:

Luft herausnehmen! Wenn der Biergarten so voll ist, dass selbst die Küche nicht mehr mit dem Produzieren der Speisen nachkommt und bereits alle Sauerstoffzelte fürs Personal belegt sind, macht es Sinn, dies anzusprechen. Sagt dem Gast, dass es dauern wird, bis die Speisen und Getränke serviert werden. So kann sich der Gast darauf einstellen. Und er wird reagieren. 

 

  1. Er wird wieder gehen, aber letztendlich dankbar sein, dass er vorgewarnt wurde.
  2. Er wird bleiben, aber sich damit abfinden, dass er warten muss, und nicht alle zwei Minuten auf die Uhr schauen.

 

So nehmt ihr bereits im Vorfeld viel Druck raus.

 

Regel 5:

Bleibt freundlich, auch wenn es in vielen Situationen nicht einfach ist. Man muss sich nicht alles gefallen lassen, aber Unfreundlichkeit bringt einen in den seltensten Fällen weiter. Im Gegenteil, es feuert den Gast geradezu an, nach Schwachstellen zu suchen.

 

Regel 6:

Immer Regel 1 beachten. Immer wieder.

 

Neue Kollegen, herzlich willkommen!

 

Ich habe nun schon viele Kollegen kennenlernen dürfen und mit einigen arbeite ich seit vielen Jahren zusammen. Gerade neue Mitarbeiter haben es schwer, setzen sich selbst oft zu sehr unter Druck, möchten besonders gut abliefern, beweisen. Hier kann ich folgenden Tipp geben: Seid bemüht, zeigt Engagement. Aber überfordert euch nicht mit Dingen, die erst mit etwas mehr Routine zu schaffen sind. Backt kleine Brötchen, aber die von guter Qualität! Am Ende des Arbeitstages ist nicht derjenige der Held, der die meisten Teller auf einem Arm getragen hat, sondern die Person, die sich für den Betrieb starkgemacht und die Kollegen mit viel Herzblut und Motivation unterstützt hat. Das nur mal dazu.

 

Ansonsten wünsche ich all den fleißigen Kolleginnen und Kollegen da draußen viel Kraft und Geduld für das anstehende Biergartengeschäft. 

 

Tut das, was ihr könnt. 

Bleibt stark.

Bleibt gelassen.

 

Emotionen aus.

 

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